Durchblick #16: Schule im Wandel – Zwischen Bürokratieabbau und digitaler Revolution
Updates für Bildung in einer exponentiellen Welt
Liebe Leser und Leserinnen,
willkommen zum neuen “Durchblick”. Unser Schulsystem ächzt und wankt unter seiner bürokratischen Last und die diversen Reformbemühungen scheinen ihm noch zusätzliche Mühlsteine anzuhängen. Oder doch nicht? Wo fangen wir an und wie viel können wir parallel verändern? Müssen wir die Einführung technologischer Innovationen aussetzen, bis die organisatorische Basis stabil ist?
Lassen Sie sich inspirieren, heute vom Schwerpunkt “KI in der Schule - Zusätzliche Belastung oder Lösungsoption?” Haben Sie noch Fragen oder Ideen? Nehmen Sie gerne Kontakt mit uns auf.
Bildungsrat fordert radikale Reform der Lehrerbildung // deutsches-schulportal.de, Deutsch
Im Artikel werden die Forderungen des "Bildungsrats von unten" zusammengefasst, der eine radikale Reform der Lehrerbildung für notwendig hält. Die Initiative, bestehend aus Bildungspraktikern, reagiert damit auf die Empfehlungen der Ständigen Wissenschaftlichen Kommission, die vor gut einem Jahr in einem Gutachten Mehrarbeit und eingeschränkte Teilzeitarbeit für Lehrer vorschlug, um dem Lehrermangel entgegenzuwirken. Der "Bildungsrat von unten" betont dagegen die Notwendigkeit einer langfristigen Strategie, die durch mehr Studienplätze und eine Reform der Lehrerausbildung erreicht werden soll. Besonders hervorgehoben wird die Idee einer einphasigen, dualen Lehrerausbildung zur besseren Verzahnung von Theorie und Praxis.
Die umfangreiche Stellungnahme hat aus unserer Sicht besonderes Gewicht, da sie von Praktikern verfasst wurde, die regelmäßig in den Bildungseinrichtungen tätig sind. Die Bildungslandschaft ist an einem Punkt angelangt, an dem innovative Ansätze gefragt sind. Künstliche Intelligenz ist dabei nur ein Aspekt. Während KI zwar das Potenzial hat, den Unterricht zu bereichern und individuelles Lernen zu fördern, setzt dies voraus, dass Lehrkräfte entsprechend ausgebildet und vorbereitet werden. Die Forderung nach einer Reform der Lehrerbildung sollte auch als Chance gesehen werden, Lehrkräfte nicht nur in traditionellen Methoden, sondern auch im Umgang mit neuen Technologien wie KI zu schulen und tragfähige Fortbildungskonzepte zu implementieren, die dem ständigen gesellschaftlichen und technologischen Wandel Rechnung tragen.
“[…] der verstärkte Rückgriff auf digitale Tools und Konzepte der Selbstlernzeiten von Schüler*innen können pädagogisch sinnvolle Empfehlungen sein. Sie haben entlastende, jedoch keine bedarfssenkende Wirkung, wenn sie pädagogisch sinnvoll begleitet werden sollen.”
“Wir brauchen eine klare Aussage vom Bund zum Digitalpakt” // deutsches-schulportal.de, Deutsch
Die KMK-Präsidentin Christine Streichert-Clivot betont im Interview die Notwendigkeit einer Transformation im Bildungswesen, insbesondere hinsichtlich Bildungsgerechtigkeit, Lehrkräftegewinnung und digitaler Bildung. Sie fordert eine klare Zusage vom Bund zur Anschlussfinanzierung des Digitalpakts und betont die Bedeutung der beruflichen Bildung und einer effizienteren KMK (Kultusministerkonferenz). Die KMK soll agiler werden und eine einheitliche Linie zur Lehrkräfteanerkennung über Ländergrenzen hinweg verfolgen. Zudem wird eine verstärkte Fokussierung auf Praxisanteile in der Lehrkräftebildung und eine flexible Anpassung an aktuelle Bedürfnisse wie den Mangel an Informatiklehrkräften angestrebt.
Die Diskussion um den Digitalpakt und die Notwendigkeit seiner Fortführung verdeutlicht eine grundsätzliche Herausforderung im Bildungsbereich: Die Digitalisierung als Chance zur Verbesserung der Bildungsgerechtigkeit und Lehrqualität zu nutzen, statt sie als zusätzliche Belastung zu sehen. Streichert-Clivot's Fokus auf eine Transformation, die Lehrkräfte stärkt und Agilität erhöht, geht in die richtige Richtung. Und auch eine systematische Fortführung der Digitalisierung an Schulen ist essenziell wichtig. Denn technologische Innovationen, einschließlich KI, können Lösungsoptionen bieten, die Lehrkräfte unterstützen und Bildungsungleichheiten abbauen. Vorausgesetzt, es gibt eine koordinierte und vor allem gut finanzierte Strategie auf allen Ebenen des Bildungssystems.
Großangelegte Entbürokratisierung an Bayerns Schulen // bildungsklick.de, Deutsch
Die Kultusministerin Bayerns, Anna Stolz, hat eine Entbürokratisierungsaktion für Schulen gestartet, um Lehrkräften mehr Zeit für pädagogische Arbeit zu geben. Lehrer und Schulleitungen werden um Vorschläge gebeten, um unnötige Bürokratie zu identifizieren und abzubauen. Das Verfahren soll transparent sein, Vorschläge werden online präsentiert und über Umsetzungsoptionen kann abgestimmt werden. Ziel ist es, durch weniger Bürokratie mehr Zeit für die Schüler zu schaffen.
Es ist erfrischend zu sehen, dass ein akutes Problem hier pragmatisch und demokratisch angegangen wird. Es wurde verstanden, dass administrative Hürden die Qualität der Bildung beeinträchtigen können und es ist entsprechend gehandelt worden. Indem man Lehrkräften mehr Raum gibt, sich auf ihre pädagogische Arbeit zu konzentrieren, wird auch ein Umfeld geschaffen, in dem innovative Lösungen wie KI in der Schule besser integriert werden können. Denn in einer Überlastungssituation ist die Einführung neuer Lösungen nur schwer umsetzbar. Selbst wenn diese mittelfristig eine große Hilfe sein sollten.
Bildungsministerin: Schulen sind voll! Wohin mit Flüchtlingskindern? // news4teachers.de, Deutsch
In Sachsen-Anhalt werden zugewanderte Kinder mit Sprachproblemen künftig verstärkt in Kursen außerhalb der Schulen gefördert, da die Kapazitäten an einigen Standorten nicht mehr ausreichen. Dies geschieht durch eine Kooperation mit den Euro-Schulen, einem Nachhilfe-Institut und umfasst derzeit knapp 100 Schülerinnen und Schüler in Halle und Magdeburg. Die Maßnahme, die aus dem Corona-Sondervermögen finanziert wird, richtet sich an Kinder der Klassen 5 bis 10 und ist verpflichtend. Unicef weist darauf hin, dass eine separate Beschulung von Flüchtlingskindern rechtlich zulässig sei, aber zeitlich sehr begrenzt sein muss.
Auch hier wird eine Problematik beleuchtet, die das Schulsystem aktuell zusätzlich belastet: die sinnvolle und zügige Integration von Kindern, die der deutschen Sprache noch nicht mächtig sind. Und auch hier werden dringend innovative Lösungen benötigt, die eine schnelle Entlastung bringen können und gleichzeitig eine hochwertige Bildung für alle Schülerinnen und Schüler gewährleisten.
Moderne digitale Tools könnten dabei als ergänzendes Werkzeug dienen, um Sprachbarrieren sowohl innerhalb als auch außerhalb des Klassenzimmers zu überwinden und die Integration und Sprachförderung effizienter zu gestalten.
Mehr Sprachbildung reicht nicht: Professorin fordert andere Prioritäten // news4teachers.de, Deutsch
Die Bildungswissenschaftlerin Prof. Anne Sliwka kritisiert die nach den Pisa-Ergebnissen geforderte Fokussierung auf Sprachförderung vor allem in der frühkindlichen Bildung als unzureichend. Sie erachtet eine Priorisierung von Vor- und Grundschulen in der Bildungspolitik als mindestens ebenso notwendig. Sliwka betont die Wichtigkeit, Kinder in Basiskompetenzen wie Weltwissen, Selbstregulation und mathematische Vorläuferfähigkeiten zu unterrichten, um eine solide Grundlage für weiterführendes Lernen zu schaffen. Diese Fähigkeiten seien international anerkannt und essenziell für den Erfolg in Schule und Leben.
Dass Sprachkompetenz nicht nur für die Integration von Flüchtlingskindern wesentlich ist, haben wir bereits in unserem Schwerpunkt im Durchblick #13 beleuchtet.
Die Betonung von Weltwissen und grundlegenden Kompetenzen durch Prof. Sliwka ist in diesem Kontext ebenso relevant. Denn auch in einer immer digitaleren Welt ist Technologieverständnis nicht die wichtigste Kompetenz. Während KI-Tools das Lernen individualisieren und unterstützen können, unterstreicht Sliwkas Ansatz die Bedeutung einer soliden Grundbildung, die über reine Technologiekenntnisse hinausgeht. Damit KI in Schulen eine sinnvolle Option sein kann, muss das Bildungssystem die Kinder auch mit den notwendigen Basiskompetenzen ausstatten. Diese Fähigkeiten ermöglichen es den Schülern, KI-Tools kritisch und effektiv zu nutzen und sich auf eine technologieorientierte Zukunft vorzubereiten.