Durchblick #26: Lehrkräfte als Gestalter des Wandels – KI ist nur ein Werkzeug
Updates für Bildung in einer exponentiellen Welt
Liebe Leser und Leserinnen,
willkommen zum neuen “Durchblick”. Die Presse quillt über mit Kritik am deutschen Bildungssystem und als Lehrkraft kann man leicht den Eindruck bekommen, es niemandem recht machen zu können. Was sind eigentlich die aktuellen Herausforderungen der Lehrkräfte? Setzen bisherige Maßnahmen an den richtigen Stellen an? Und welche Rolle kann künstliche Intelligenz dabei spielen?
Lassen Sie sich inspirieren, heute vom Schwerpunkt “Lehrberuf im Kontext von KI” Haben Sie noch Fragen oder Ideen? Nehmen Sie gerne Kontakt mit uns auf.
Wir fluten die Schulen mit Technik und fühlen uns digital // heise.de, Deutsch
Der Medienpädagoge Daniel Schlep kritisiert, dass im Rahmen des Digitalpakts Schule massenhaft iPads angeschafft wurden, ohne langfristige Konzepte und echte Kompetenzen zu vermitteln. Er sieht Probleme in der Abhängigkeit von Apple, dem entstehenden Elektroschrott und der mangelnden Vermittlung von Medienkompetenz durch geschlossene Systeme. Schüler nutzen die Geräte oft für Konsum statt für schulische Aufgaben. Schlep plädiert für den Einsatz von Open-Source-Software und modularen Geräten, die keine Bindung an ein bestimmtes System zur Folge haben. Er fordert mehr Wissen und kritisches Denken statt reinen Konsum und langfristige Planungen statt Panikkäufe.
Auch im Kontext von KI wird noch viel zu häufig technisch argumentiert. Aber um Schüler zu mündigen Gestaltern der digitalen Welt zu machen, braucht es mehr als nur Geräte und Apps. Es braucht pädagogische Konzepte, die Technik sinnvoll in Lernprozesse einbetten, ethische Reflexion ermöglichen und ein tiefes Verständnis der zugrunde liegenden Systeme vermitteln.
Schulen sollten Experimentierräume sein, die Schüler ermutigen, Technologien kreativ zu nutzen und kritisch zu hinterfragen. Lehrkräfte spielen dabei weiterhin eine wichtige Rolle und die eingesetzte Technologie ist immer nur ein Mittel zum Zweck.
Ein Drittel der Lehrkräfte sieht Schülerverhalten als größte Herausforderung // deutsches-schulportal.de, Deutsch
Das Deutsche Schulbarometer 2024 zeigt, dass schwieriges Schülerverhalten (35 Prozent) und Heterogenität der Schülerschaft (33 Prozent) die größten Herausforderungen für Lehrkräfte darstellen. Dringendster Bedarf besteht an mehr Personal (41 Prozent), Sanierung der Schulgebäude (35 Prozent) und kleineren Klassen (21 Prozent). Förderangebote für Schüler mit besonderem Bedarf werden als befriedigend eingeschätzt, Angebote für Hochbegabte und zur Förderung der ethnischen/kulturellen Identität schneiden am schlechtesten ab. 74 Prozent der Lehrkräfte sehen in inklusiver Beschulung keine Verbesserung des Unterrichts für alle Schüler. Trotz hoher Berufszufriedenheit fühlen sich viele Lehrkräfte erschöpft und frustriert. 69 Prozent halten sich für kompetent im Einsatz digitaler Medien, aber nur 51 Prozent fühlen sich darauf vorbereitet. Fortbildung erfolgt primär durch Fachliteratur und Seminare. 43 Prozent beklagen unzureichende Unterstützung für psychisch belastete Schüler. Soziale und Selbstkompetenzen werden als wichtigste Zukunftskompetenzen erachtet.
Die Statistiken des Schulbarometers geben einen guten Überblick zu den Herausforderungen der Lehrkräfte. Wir empfehlen einen Blick in den verlinkten Artikel, der eine Reihe von Grafiken mit weiteren Details enthält. Die Frage, die es im Kontext von Digitalisierung und KI nun zu beantworten gilt, ist, wie Technologie eingesetzt werden kann, um diese Herausforderungen zu addressieren.
Eines dürfte aber bereits deutlich sein: Lehrkräfte brauchen mehr Unterstützung, Fortbildung und Freiräume für Kooperation und Innovation. Nur so können sie Lernumgebungen gestalten, die allen Schülern gerecht werden und sie auf eine sich ständig wandelnde Zukunft vorbereiten.
David Klett über KI – und die Perspektiven für die Bildung // news4teachers.de, Deutsch
In einem Interview spricht Dr. David Klett, Vorstand der Klett Gruppe, über die aktuellen Herausforderungen im Bildungssystem. Er sieht Stress als zentrales Problem, verursacht durch Lehrkräftemangel, zunehmende Heterogenität der Schülerschaft, Bürokratisierung und fehlende Ressourcen. Deutschland sei dabei kein Sonderfall, ähnliche Probleme zeigten sich in vielen europäischen Ländern. Um Lehrkräfte zu entlasten, setzt Klett auf technologische Lösungen wie digitale Diagnostik und adaptive Lernsysteme sowie auf innovative Schulkonzepte mit Phasenunterricht. Generative KI sieht er als tiefgreifende Entwicklung mit großem Potenzial für die Bildung, etwa für tutorielle Begleitung oder Entlastung von Lehrkräften. Gleichzeitig betont er die bleibende Bedeutung der Lehrer-Schüler-Beziehung. Um den Lehrberuf attraktiver zu machen, plädiert Klett für mehr Wertschätzung und Anerkennung der Professionalität von Lehrkräften sowie für ein realistisches Bild des Berufsalltags.
Auch in diesem Artikel werden eine Reihe von Herausforderungen angesprochen aber auch Lösungsansätze aufgezeigt. Technologie kann helfen, Lehrkräfte zu entlasten und Lernen zu individualisieren. Adaptive Systeme und generative KI eröffnen neue Möglichkeiten für personalisierte Förderung und kreative Unterrichtsgestaltung. Doch Technologie allein reicht nicht. Es braucht auch neue Ansätze, die noch mehr Raum für soziale Kompetenzen, Kreativität und Persönlichkeitsentwicklung lassen.
Vor allem aber braucht es eine neue Wertschätzung für den Lehrberuf. Lehrkräfte sind Schlüsselfiguren für die Zukunft unserer Gesellschaft. Sie prägen junge Menschen und legen den Grundstein für lebenslanges Lernen. Diese Aufgabe erfordert hohe Professionalität und verdient Anerkennung. Nur wenn es gelingt, die besten Köpfe für den Lehrberuf zu gewinnen und ihnen gute Rahmenbedingungen zu bieten, kann Schule junge Menschen auf die Herausforderungen des exponentiellen Zeitalters vorbereiten. Dafür braucht es ein realistisches Bild des Lehrberufs, aber auch eine Vision, die Lehrkräfte begeistert und motiviert.
KonfBD24: Wie Künstliche Intelligenz die Schule verändern wird // news4teachers.de, Deutsch
Die Konferenz Bildung Digitalisierung (KonfBD24) in Berlin zeigte Chancen auf, wie Künstliche Intelligenz die Schule verändern und gerechter machen könnte. Prof. Hans Anant Prant kritisierte die Ungerechtigkeit von Schulnoten, die oft auf sozialen statt sachlichen Kriterien basieren. Eine Studie von Thorben Jansen ergab, dass automatisierte Bewertungen mittels KI schriftliche Leistungen inzwischen ähnlich gut beurteilen können wie menschliche Lehrkräfte. Prof. Sebastian Becker-Genschow sieht Potenzial in KI-Lernagenten, die von Lehrkräften konfiguriert werden und individuelle Förderung ermöglichen. Eine Studie von Prof. Thomas Süße zeigt, dass bereits 85% der Schüler ChatGPT nutzen, wobei gute Schüler reflektierter damit umgehen. Im bayerischen Schulversuch "KI@school" kommen bereits verschiedene KI-Formate zum Einsatz, die Schwächen bei Lernenden sichtbar machen und individuell fördern. Prof. Jutta Allmendinger betonte insbesondere die Dringlichkeit der Förderung benachteiligter Kinder für die Zukunftsfähigkeit Deutschlands.
Die KonfBD24 macht deutlich, dass KI das Potenzial hat, Bildung im exponentiellen Zeitalter gerechter und effektiver zu gestalten. Durch automatisierte Beurteilungen und individualisierte Förderung könnte KI dazu beitragen, Benachteiligungen abzubauen und jedes Kind bestmöglich zu unterstützen. Aktuell gehe es bei der Benotung aber vor allem um Selektion und Allokation, nicht um Diagnose und Förderung.
Um das Potenzial von KI für gerechte Bildung zu heben, braucht es aber mehr als Technik. Es braucht eine Pädagogik, die KI sinnvoll in Lernprozesse einbettet, ethische Leitplanken für ihren Einsatz definiert und Lehrkräfte befähigt, sie didaktisch reflektiert zu nutzen. Der Vorstand des Forum Bildung Digitalisierung komentierte dazu richtigerweise: „Wenn wir nichts tun, passiert das typische: Digitale Technologien sind Verstärker von Ungleichheiten. Sie können aber auch Teil der Lösung sein.“
Lehrer Sebastian Schmidt: Nicht auf die Schul-Revolution warten // news4teachers.de, Deutsch
Sebastian Schmidt, Lehrer und Mitglied der erweiterten Schulleitung an der Inge-Aicher-Scholl Realschule Neu-Ulm, plädiert in seinem Beitrag für einen pragmatischen Ansatz zur Transformation des Lernens. Statt auf eine Revolution des Schulsystems zu warten, die aufgrund utopischer Forderungen nicht kommen werde, gelte es, die vorhandenen Freiräume zu nutzen. Individuelles, kooperatives und kreatives Lernen sei auch in bestehenden Schulgebäuden möglich. Statt Noten abzuschaffen, sollte die Feedbackkultur verbessert werden. Mehr Zusammenarbeit im Kollegium könne Lehrkräfte entlasten. Freiheitliches Lernen erfordere zunächst die Sicherstellung von Beteiligung. Statt digitale Bildung überzubetonen, müsse das Lernen in den Mittelpunkt rücken. Zukunftskompetenzen ließen sich in bestehende Fächer integrieren. Alternative Prüfungsformate seien jetzt umsetzbar. Schmidt ruft dazu auf, jeden Tag ein wenig mehr innovatives Lernen zu initiieren, statt auf Veränderung des Systems zu warten. Mit Wertschätzung für neue Lernmöglichkeiten lasse sich mehr bewegen als mit Untergangsstimmung.
Der Beitrag von Sebastian Schmidt ist ein Aufruf aus der Praxis zu mehr Pragmatismus. Aus seiner Sicht gilt es, die Freiräume zu nutzen, die das System schon jetzt bietet. Individuelles Feedback, kooperatives Lernen, Projektarbeit - all das ist auch in traditionellen Schulgebäuden möglich. Es braucht dafür vor allem engagierte Lehrkräfte, die bereit sind, neue Wege zu gehen und ständig selbst dazu zu lernen. Und es braucht eine Schulkultur, die Innovation wertschätzt und Mut zum Experimentieren macht.
Letztlich geht es darum, Schule als lernende Organisation zu verstehen. Das erfordert eine Haltung, die Veränderung als Chance begreift und Zuversicht ausstrahlt. Denn nur wenn Lehrkräfte selbst an die Gestaltbarkeit der Zukunft glauben, können sie diese Haltung an Schüler weitergeben. Schmidts Aufruf zu einem positiveren Blickwinkel ist daher auch ein Plädoyer für eine neue Geisteshaltung im Lehrberuf. Eine Geisteshaltung, die nicht auf Perfektion setzt, sondern auf kontinuierliche Verbesserung. Die Freude daran hat, Neues auszuprobieren und Lernende auf ihrem individuellen Weg zu begleiten.