Durchblick #29: KI als Innovationsmotor – Potenziale und Grenzen
Updates für Bildung in einer exponentiellen Welt
Liebe Leser und Leserinnen,
willkommen zum neuen “Durchblick”. Wie innovativ können künstliche Intelligenzen eigentlich sein? Sind sie die Forscher der Zukunft und eröffnen uns vollkommen neue Horizonte? Oder ist nur der menschliche Geist zu wahrer Innovation fähig? Vieles könnte von unseren zukünftigen Bildungsansätzen abhängen.
Lassen Sie sich inspirieren, heute vom Schwerpunkt “Innovation braucht kreative Querdenker” Haben Sie noch Fragen oder Ideen? Nehmen Sie gerne Kontakt mit uns auf.
In eigener Sache: Wir werden nächste Woche auf der LEARNTEC sein und dort am Dienstag den 04.06. um 10:00 Uhr einen Vortrag über das Lernen im Exponentiellen Zeitalter halten. Schauen Sie gerne bei uns vorbei und diskutieren Sie mit!
Weniger Innovation trotz KI? // dw.com, Deutsch
Trotz beeindruckender Fortschritte in der Entwicklung von Künstlicher Intelligenz, mangelt es laut Informationswissenschaftler Viktor Mayer-Schönberger von der Universität Oxford an wirklich bahnbrechenden Innovationen. Er sieht den Grund darin, dass KI-Modelle nur auf Basis von Vergangenheitsdaten arbeiten und keine neuen Ideen entwickeln können. Menschliche Vorstellungskraft und die Fähigkeit zu träumen, seien jedoch entscheidend für Innovationen.
Große Tech-Unternehmen, die als Pioniere gelten, verlangsamen Innovationsprozesse sogar, indem sie ihre gewaltigen Datenmengen unter Verschluss halten. Zudem werden innovative Start-ups oft von den Großen aufgekauft, um den Wettbewerb auf Abstand zu halten. Vor 20 Jahren gingen noch über 75 Prozent der erfolgreichen Start-ups im Silicon Valley an die Börse, heute werden drei Viertel von Google, Facebook und Co. übernommen.
Um Innovationen zu fördern, müsse die Politik für einen freieren Datenzugang sorgen, wie es die EU mit dem Digital Services Act und dem Digital Markets Act anstrebt. Zudem müsse das Bildungssystem umstrukturiert werden, um Querdenker statt stromlinienförmige, fleißige Ameisen zu fördern.
Mayer-Schönbergers Argumentation zeigt, dass wir uns vielleicht doch nicht nur auf die kommenden KIs verlassen sollten. Bei wahrer Innovation sieht er immer noch den Menschen am Ruder. Er fordert ein Umdenken in unserem Bildungssystem, das statt Konformität und Auswendiglernen mehr Kreativität und kritisches Denken fördern sollte, und die Fähigkeit, über den Tellerrand zu blicken. Wir brauchen eine Lernkultur, die Mut zum Querdenken macht und Raum für Experimente und unkonventionelle Ideen lässt.
Gleichzeitig müssen wir sicherstellen, dass der Zugang zu Wissen und Daten nicht von wenigen Konzernen kontrolliert wird. Eine offene Wissensgesellschaft ist die Grundlage für Innovation und Fortschritt. Hier ist die Politik gefordert, faire Rahmenbedingungen zu schaffen und Datenmonopole aufzubrechen.
Mathematik: KI braucht dringend Nachhilfe // t3n.de, Deutsch
Trotz beeindruckender Fortschritte haben KI-Modelle wie ChatGPT noch Schwierigkeiten mit Mathematik und logischem Denken. Diese Fähigkeiten gelten jedoch als vielversprechender Weg zu einer Allgemeinen Künstlichen Intelligenz (AGI). Sprachmodelle sind darauf trainiert, Sätze zu produzieren, scheitern aber oft an mathematischen Aufgaben, da sie mehrere Variablen, nicht-lineares Denken und Zeichenmanipulation erfordern. Forscher arbeiten an Lösungen wie "Chain-of-Thought"-Verfahren, bei denen KI-Modelle ihre Argumentation schrittweise offenlegen und korrigieren. Ein weiterer Ansatz ist die neurosymbolische KI, die neuronale Netze mit symbolischen Regeln kombiniert. Aktuelle Studien zeigen vielversprechende Ergebnisse, aber Experten sind sich uneinig, ob mathematisches Verständnis allein ausreicht, um AGI zu erreichen.
Es ist spannend zu sehen, dass mathematische Fähigkeiten ein wichtiger Schlüssel zu menschlicher Intelligenz zu sein scheinen. Dies veranschaulicht gut die Komplexität menschlichen Denkens und auch die Bedeutung mathematischer Bildung. Schüler:innen und KIs scheinen aktuell vor derselben Herausforderung zu stehen: Wie erreichen sie ein mathematisches Verständnis?
Mathematik ist eben doch mehr als das Anwenden von Formeln – sie erfordert die Fähigkeit, Muster zu erkennen, Analogien zu bilden und neue Lösungswege zu finden. Diese Kompetenzen sind nicht nur in der Wissenschaft, sondern in allen Lebensbereichen von unschätzbarem Wert. Eine fundierte mathematische Bildung fördert analytisches Denken, Kreativität und die Fähigkeit, komplexe Probleme zu lösen. Und macht am Ende Innovation erst möglich.
Bei unserer Suche nach einem Weg, den KIs Mathematik und logisches Denken zu vermitteln, sollten wir die folgenden Fragen vielleicht nicht außer Acht lassen: Können auch wir etwas daraus lernen? Warum ist ein Schulfach, das so einen zentralen Baustein menschlicher Intelligenz adressiert, im Allgemeinen so unbeliebt? Und wie kann man das ändern?
Studie zeigt: Kaum jemand nutzt KI-Chatbots im Alltag // t3n.de, Deutsch
Eine Studie der University of Oxford und des Reuters Institute for the Study of Journalism untersuchte die Nutzung und Wahrnehmung von generativen KI-Tools in sechs Ländern. Obwohl ChatGPT das bekannteste Tool ist, nutzen es nur wenige täglich. Jüngere Menschen setzen KI-Tools häufiger ein als ältere. Die meisten Befragten glauben, dass KI große Auswirkungen auf verschiedene Sektoren haben wird, vertrauen aber nicht allen Akteuren gleichermaßen. Bei der Nutzung von KI für Nachrichten bevorzugen die Befragten menschliche Autoren, insbesondere bei "harten" Themen. Die Hälfte fordert eine Kennzeichnung KI-generierter Texte.
Die Vorbehalte gegenüber der Anwendung von KI-Tools sind immer noch groß. Diese Verunsicherung ist sicher zum Teil den häufig noch unzuverlässigen Ergebnissen geschuldet. Insbesondere bei den kostenlos verfügbaren KI-Modellen. Solange die im vorherigen Artikel genannten Einschränkungen, vor allem beim logischen Denken, bestehen, wird eine breite Akzeptanz nur schwer erreichbar sein. Aber wir dürfen nicht unterschätzen, dass die Sprachmodelle sich rasant weiterentwickeln. Bereits die nächste Version eines der führenden Modelle könnte den Status quo grundlegend verändern.
re:publica: "KI-Entwicklung kommt ohne neurodivergente Personen nicht weiter"// heise.de, Deutsch
André Frank Zimpel, Professor an der Universität Hamburg, sprach auf der re:publica über KI und Neurodiversität. Er betonte, dass KI einerseits neurodivergente Menschen im Alltag unterstützen kann, andererseits aber auch neurodivergente Personen für die Weiterentwicklung von KI unerlässlich sind.
Zimpel sieht in neurodivergenten Menschen den Schlüssel, um die Grenzen der KI zu überwinden. Da KI dazu neigt, den Durchschnitt zum Maßstab zu erheben, braucht es Menschen, die anders denken und sich diesem Mittelmaß entziehen. Neurodivergente Personen mit ihren einzigartigen Wahrnehmungen, Denkweisen und Fähigkeiten können dazu beitragen, die Entwicklung von KI voranzutreiben und neue, innovative Lösungen zu finden.
Zimpel sieht in der Neurodiversitätsbewegung, die sich 2011 formierte, eine Chance, die Gesellschaft zum Besseren zu verändern. Indem sie die Stärken und das Potenzial neurodivergenter Menschen sichtbar macht, kann sie dazu beitragen, starre Normen aufzubrechen und Diversität als Wert zu etablieren.
André Frank Zimpels zeigt in seinem Vortrag auf, dass wir beim Trainieren von KIs Gefahr laufen, starre Normen und Durchschnittswerte weiter zu zementieren und die Vielfalt menschlicher Denkweisen und Fähigkeiten nicht mehr genug wertzuschätzen.
Neurodivergente Menschen, ob mit Autismus, AD(H)S oder anderen Besonderheiten, bringen einzigartige Perspektiven und Talente mit, die für Innovation und Fortschritt wichtig sein können. Statt sie an den Rand zu drängen, sollten wir Bildungsumgebungen schaffen, die ihre Stärken fördern und ihnen Raum zur Entfaltung geben. Dazu gehören individualisierte Lernansätze, der Einsatz unterstützender Technologien und vor allem eine Kultur der Wertschätzung von Diversität.
Gleichzeitig müssen wir kritisch hinterfragen, welche Werte und Maßstäbe wir unserer KI-Entwicklung zugrunde legen. Eine KI, die sich am Durchschnitt orientiert, läuft Gefahr, Kreativität und Andersartigkeit zu unterdrücken. Hier sind neurodivergente Menschen gefragt, um neue Wege aufzuzeigen und die Grenzen des Möglichen zu erweitern. Vielleicht liegt darin sogar ein Schlüssel, um die Innovationsfähigkeit von KIs zu verbessern.
Deepminds KI-Tool GNoME beschleunigt Kristallforschung um 800 Jahre // the-decoder.de, Deutsch
Google Deepmind hat mit "GNoME" ein KI-Tool entwickelt, das die Entdeckung neuer Kristallstrukturen drastisch beschleunigt. GNoME konnte mehr als 2,2 Millionen neue Kristalle vorhersagen, darunter 380.000 besonders stabile Verbindungen mit Potenzial für Zukunftstechnologien. Durch "Active Learning" in Kombination mit quantenphysikalischer Überprüfung konnte die Effizienz des Systems dramatisch gesteigert werden. Einige der vorhergesagten Kristalle wurden bereits experimentell bestätigt, und die Daten der stabilsten Kandidaten stehen anderen Forschenden frei zur Verfügung. In einem experimentellen Roboterlabor konnten bereits 41 neue Materialien automatisiert synthetisiert werden. Allerdings besteht Bedarf an einer KI, die vorhersagt, welche theoretischen Strukturen sich lohnen würden herzustellen.
Mit diesem letzten Artikel möchten wir zeigen, dass künstliche Intelligenz trotz aller Vorbehalte auch jetzt schon echte Innovationen hervorbringen kann. Unter der Anleitung von kompetenten Wissenschaftlern. Die hier beschriebenen Ergebnisse wurden bereits im September letzten Jahres veröffentlicht und stellen einen Quantensprung in der Materialforschung dar, der weitreichende Auswirkungen auf Industrie und Gesellschaft haben kann. Hier wurde mithilfe von KI etwas vollkommen Neues und noch nie dagewesenes erschaffen.
Selbst wenn die Forscher der Zukunft also keine KIs sein sollten, so müssen wir doch sicherstellen, dass jeder angehende Wissenschaftler in die Lage versetzt wird, kreativ mit KIs zusammenarbeiten zu können. Vielleicht sind wir doch nicht mehr so weit entfernt von den eingangs erwähnten neuen Horizonten?