Durchblick #32: Fakten und Fakes – Warum wir alle journalistische Kompetenzen benötigen
Updates für Bildung in einer exponentiellen Welt
Liebe Leser und Leserinnen,
willkommen zum neuen “Durchblick”. Die Fähigkeiten zur Generierung von überzeugende Medien aller Art durch künstliche Intelligenz sind bereits viel diskutiert worden. Doch reicht das aus? Worauf müssen wir uns einstellen? Und wie kann man sich darauf vorbereiten?
Lassen Sie sich inspirieren, heute vom Schwerpunkt “Medien im Zeitalter von KI”. Haben Sie noch Fragen oder Ideen? Nehmen Sie gerne Kontakt mit uns auf.
GPT-4 besteht Turing-Test und Menschen halten andere Menschen erstaunlich oft für KI // the-decoder.de, Deutsch
In einer neuen Studie wurde eine Zwei-Spieler-Variante des Turing-Tests mit dem KI-Sprachmodell GPT-4 durchgeführt. Die Ergebnisse zeigen, dass menschliche Teilnehmer in Chats nicht zuverlässig zwischen Mensch und KI unterscheiden konnten. GPT-4 wurde in 54 Prozent der Fälle für einen Menschen gehalten, während menschliche Teilnehmer nur in 67 Prozent der Fälle als Mensch erkannt wurden. Die Studie liefert empirische Hinweise darauf, dass der Turing-Test eher Sprachstil und sozial-emotionale Faktoren misst als Wissen und Logik. Die Ergebnisse machen das Täuschungspotenzial moderner KI-Systeme deutlich, was weitreichende wirtschaftliche und soziale Auswirkungen haben könnte.
KI-Systeme sind ganz offensichtlich immer besser in der Lage, menschliche Kommunikation zu imitieren. Das wirft die Frage auf, welche Fähigkeiten und Kompetenzen wirklich einzigartig menschlich sind und wie wir diese fördern können.
Die Studie zeigt, dass reine Wissensabfrage und Logik nicht ausreichen, um KI von Menschen zu unterscheiden. Stattdessen scheinen Kreativität, Empathie und die Fähigkeit, sozial-emotionale Signale zu erkennen und zu senden, entscheidend zu sein. Genau diese Fähigkeiten sollten wir in der Bildung stärker in den Fokus rücken.
Gleichzeitig müssen wir Lernende darauf vorbereiten, in einer Welt zu navigieren, in der die Grenzen zwischen Mensch und Maschine zunehmend verschwimmen. Medienkompetenz, kritisches Denken und ethische Urteilsfähigkeit werden zunehmend unverzichtbar werden.
Diese KI lernt von uns, indem sie unsere Fehler analysiert // t3n.de, Deutsch
Forscher:innen des MIT und der Universität von Washington haben ein KI-Modell entwickelt, das menschliches Verhalten besser voraussagen soll, indem es die Fehler analysiert, die Menschen in ähnlichen Situationen zuvor gemacht haben. Die KI wurde anhand von Schachpartien trainiert, indem sie ihre eigene Problemlösung mit den Zügen von echten Menschen verglich. So konnte die KI erkennen, wann Menschen Schwierigkeiten hatten und eingreifen, um bessere Lösungen anzubieten. Das Modell wurde auch erfolgreich eingesetzt, um kommunikative Absichten und Ziele von Menschen aufgrund ihrer vorherigen Aktionen zu schlussfolgern. Die Forscher:innen planen, die KI in Zukunft in anderen Bereichen wie der Robotik anzuwenden.
Aufgrund des hier beschriebenen gezielten Trainings werden KIs zukünftig in der Lage sein, das Verhalten von Menschen besser einzuschätzen und vorherzusagen. Die Implikationen sind vielschichtig. Indem die KI menschliche Fehler analysiert und daraus lernt, könnte sie zu einem wertvollen Lernbegleiter werden, der individuell auf die Bedürfnisse und Schwächen jedes Lernenden eingehen kann.
Gleichzeitig wirft der Einsatz solcher KI-Systeme auch ethische Fragen auf. Wie stellen wir sicher, dass die KI menschliche Fehler nicht einfach korrigiert, sondern als Lernchancen begreift? Wie verhindern wir, dass Lernende sich zu sehr auf die KI verlassen und ihre eigene Problemlösungsfähigkeit vernachlässigen?
Die Bildung im exponentiellen Zeitalter muss einen Weg finden, die Potenziale solcher KI-Modelle zu nutzen, ohne die Autonomie und Kreativität der Lernenden einzuschränken. Zusätzlich muss man sich darüber im Klaren sein, dass solche KI-Modelle ein hohes manipulatives Potenzial haben. Insbesondere in den sozialen Netzwerken und digitalen Medien.
Physisches KI-Modell Newton soll mit Sensordaten und Sprache die reale Welt verstehen // the-decoder.de, Deutsch
Das Start-up Archetype AI hat sein erstes "Physical AI"-Modell namens Newton vorgestellt. Im Gegensatz zu herkömmlichen KI-Modellen, die nur mit Text und Bildern trainiert wurden, lernt Newton aus Daten verschiedener Sensoren wie Beschleunigungsmessern, Gyroskopen, Radaren, Kameras, Mikrofonen und Thermometern. Ziel ist es, komplexe Muster und Erkenntnisse aus der realen Welt zu gewinnen und Fragen über die Umwelt in Echtzeit zu beantworten. Das Modell soll in verschiedenen Branchen wie Automobil, Unterhaltungselektronik, Bau, Logistik und Einzelhandel eingesetzt werden. Archetype AI hat eine Seed-Finanzierung von 13 Millionen US-Dollar erhalten und plant, das Team zu vergrößern und die Plattform zu skalieren. Das Gründerteam besteht aus ehemaligen Führungskräften der Advanced Technology and Projects (ATAP) Group von Google.
Den KI-Modellen physikalisches Wissen zu vermitteln, ist aktuell eine der größten Herausforderungen. Denn sie können die Welt (noch) nicht mit ihren eigenen Sinnen erleben, so wie wir es tun. Und doch ist dieses Wissen unabdingbar, wenn die Unterstützung durch zukünftige KIs wirklich praktikabel sein soll.
Insbesondere die Generierung von digitalen Inhalten wie Bildern, Videos oder ganzen virtuellen Welten wird nur überzeugen, wenn die physikalischen Zusammenhänge stimmen. Aber auch bei der Überwachung industrieller Prozesse oder der Auswertung komplexer wissenschaftlicher Daten ist niemandem geholfen, wenn die KI kein korrektes physikalisches Verständnis hat.
Indien-Wahl als «Testlabor» für Künstliche Intelligenz // nw.de, Deutsch
Bei der Parlamentswahl in Indien, der weltweit größten Wahl, kam Künstliche Intelligenz (KI) im Wahlkampf intensiv zum Einsatz. Alle großen Parteien nutzten KI-generierte Inhalte wie Deepfake-Videos, personalisierte Videobotschaften und interaktive Chatbots, um Wähler:innen zu erreichen. Premierminister Narendra Modi setzte KI ein, um in mehreren Sprachen zum Wahlvolk zu sprechen. Einige KI-Inhalte waren jedoch nicht als solche gekennzeichnet und enthielten teilweise irreführende oder falsche Informationen. Experten sehen in Indien ein Testlabor für den Einsatz von KI in der Politik und fordern neue Gesetze zum Schutz der Demokratie. Die politische Kommunikation in Indien werde sich durch den Einsatz von KI nachhaltig verändern.
Die Wahl in Indien und die oben aufgeführten aktuellen Entwicklungen liefern einen Vorgeschmack auf das, was uns in den nächsten Jahren erwartet: Lebensechte und überzeugende virtuelle Avatare, die weder visuell noch intellektuell vom Menschen zu unterscheiden sind. Es wird möglich sein, ganze Filme zu generieren, die die Realität so überzeugend abbilden, dass wir unseren Sinnen nicht mehr trauen können.
Im Bildungskontext werden so ganz neue Möglichkeiten entstehen, um Lernen erlebbar zu machen. Doch das Beispiel aus Indien zeigt auch, dass viel manipulatives Potenzial in dieser Technologie steckt. Eine Tatsache, der wir uns bewusst sein müssen.
Fit für die Digitalität – journalistisches Wissen muss in Schulen // heise.de, Deutsch
Hans-Jakob Erchinger, Lehrkraft und Fortbildungsleiter, plädiert dafür, in Schulen mehr journalistisch zu arbeiten, um Kinder für die digitale Welt fit zu machen. Angesichts der allgegenwärtigen Präsenz von KI, Deepfakes und strategischen Informationen auf den Geräten der Schüler:innen sieht er die Notwendigkeit, ihnen das Handwerk von Journalist:innen zu vermitteln. Dabei geht es darum, Fakten zu prüfen, Quellen zu hinterfragen und Inhalte einzuordnen. Erchinger beobachtet, dass Schüler:innen sich mehr mit diesen Fragen beschäftigen, wenn sie selbst aktiv werden und etwa Videoreportagen, Fotoreportagen oder Podcasts erstellen. Er plädiert dafür, Schüler:innen mehr Freiheiten zu geben und sie zum aktiven Umgang mit Medien anzuregen. Auch Lehrkräfte müssen sich fortbilden, um mit der technologischen Entwicklung Schritt zu halten. Erchinger sieht in ChatGPT und anderen KI-Tools Chancen für die Unterrichtsgestaltung und empfiehlt verschiedene Tools für die Medienarbeit im Unterricht.
Erchingers Beitrag ist ein wichtiger Impuls für eine Bildung, die nicht nur reagiert, sondern proaktiv die Herausforderungen des exponentiellen Zeitalters annimmt und Lernende zu selbstbestimmten Gestaltern ihrer Zukunft macht.
Sein Ansatz, journalistisches Arbeiten in den Unterricht zu integrieren, erscheint dabei vielversprechend. Indem Schüler:innen selbst zu Produzent:innen von Medieninhalten werden, lernen sie nicht nur den technischen Umgang mit digitalen Werkzeugen, sondern auch die Verantwortung, die mit der Erstellung und Verbreitung von Informationen einhergeht. Sie erfahren am eigenen Leib, wie wichtig Faktencheck, Quellenprüfung und eine ausgewogene Darstellung sind.
Gleichzeitig wird deutlich, dass auch Lehrkräfte sich kontinuierlich fortbilden müssen, um mit der rasanten technologischen Entwicklung Schritt zu halten. Nur wenn sie selbst die Chancen und Risiken von KI und anderen digitalen Tools verstehen, können sie ihre Schüler:innen angemessen darauf vorbereiten.